Einen guten Schluck Landespolitik enthielt die Diskussion um den Hebesatz der Grundsteuer B im Gemeinderat. Mit den Stimmen von Grünen, SPD, Volt und KAL hat der Rat die Festlegung des Hebesatzes auf 270 Prozent beschlossen und damit den Schlussstein der grün-schwarzen Landesreform gesetzt – oder musste ihn setzen.
„Wir sind als Kommune gezwungen, die Reform umzusetzen“, erläuterte Finanzbürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz. Die alte Rechtsgrundlage laufe Ende des Jahres aus und somit hätte man keine Möglichkeit mehr, die Grundsteuer einzunehmen. Betroffen sind von der Reform überwiegend Besitzerinnen und Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern, die künftig mehr zahlen müssen. Denn das Land hat sich für das „modifizierte Bodenrichtwertmodell“ entschieden: Bei diesem fließt einzig der Grundstückswert in die Berechnung mit ein sowie Abschläge etwa bei Wohngebäuden. Vor allem Besitzer von Eigentumswohnungen zahlen weniger, weil hier der Boden effizienter genutzt wird – aber auch von Gewerbeflächen, die per se einen geringeren Bodenwert haben. „Bundesweit gibt es die Diskussion, dass der Boden viel teurer wird“, so Luczak-Schwarz.
Für viele werde es eine Entlastung, so Dr. Clemens Cremer (GRÜNE) – für eine Minderheit jedoch eine deutliche Mehrbelastung. Wer bei der Landesreform nur auf Karlsruhe schaue, habe eine „beschränkte Sichtweise“, so Cremer weiter. Das Gesetz sei für das gesamte Land gemacht. Er begrüße es, dass der festgelegte Hebesatz aufkommensneutral sei.
„Wenn ich etwas neu mache, sollte ich es doch gut machen“, kritisierte Detlef Hofmann (CDU) die grün-schwarze Reform. „Wir müssen diese schlechten Modelle umsetzen und den Bürgerinnen und Bürgern verkaufen“, sah Hofmann die Kommunen am „Ende der Nahrungskette“. Den Hebesatz etwas zu reduzieren, sei der Schritt in die richtige Richtung, begründete er den CDU-Antrag für einen Hebesatz von 260 Prozent. Dies führe zu Mindereinnahmen von 2,1 Millionen Euro, rechnete die Verwaltung in einer Stellungnahme vor.
Intensive Diskussion
Die KAL-Fraktion beantragte einen Hebesatz von 235 Prozent (-7,2 Millionen Euro), die AfD wollte 222 Prozent (-10,5 Millionen Euro), jeweils mit dem Argument, dass das Wohnen durch die Reform insgesamt nicht teurer werden solle.
„270 oder 260 Prozent – das ist Symbolpolitik, weil es in den Härtefällen nichts bringt“, entgegnete Fabian Gaukel (Volt) und gab zu bedenken: „Wollen wir 2,1 Millionen weniger ausgeben, damit es ein bisschen günstiger wird?“ Es sei der Grundbetrag, auf den der Hebesatz anzuwenden ist, ergänze seine Fraktionskollegin Adina Geißinger. Sie sei gespannt, wie die Klageanträge ausgingen, denn das Landesfinanzgericht hat bereits zwei Klagen gegen das Grundsteuerverfahren als verfassungskonform abgewiesen, ließ aber eine Revision des Bundesfinanzhofs in München zu.
„Die Kröte müssen wir schlucken“, resümierte Dr. Anton Huber (SPD). Weniger Grundsteuereinnahmen würden dann an anderer Stelle zu Ungerechtigkeiten führen. Der Bodenrichtwert sei an sich logisch, allerdings fehlten den Eigentümern etwa in der Bauordnung geeignete Instrumente. Als „völlig verkorkst“ bezeichnete Dr. Stefan Noé (FDP/FW) die Reform – „ausgerechnet im Lande der Häuslebauer“. Die Reform lade dazu ein, in der Fläche nachzuverdichten, sagte Anne-Kathrin Berghoff (Die LINKE). Die Verschiebung von Gewerbe zum Wohnen sei absurd. Friedemann Kalmbach (FÜR) wollte, dass man als Gemeinderat „gemeinsam gegen das Ding aufsteht“. Es schaffe Probleme und „wir sollen das wieder mit Maßnahmen ausgleichen“. Wie er lobten auch die anderen Parteien die Initiative der Stadt, in Härtefällen, wo möglich, beratend und unterstützend tätig zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Grundsteuerreform bundesweit eingefordert, da viele Grundstücke noch auf dem Wert von 1964 besteuert wurden. So verwundert es nicht, dass nach 60 Jahren die Grundstücke an Wert hinzugewonnen haben und somit auch die Steuer entsprechend steigt. Die Grundsteuer von Eigentümerinnen und Eigentümern neuerer Grundstücke fußt auf höheren Werten – diese Ungerechtigkeit monierte das Bundesverfassungsgericht. Besitzer alter Grundstücke hatten jahrzehntelang Glück, dass sie weniger zahlen mussten. -has-