Die soziale Stadt
Die Lebensqualität und die Attraktivität von Karlsruhe sollten allerdings nicht darunter leiden. Das bleibt Mentrups Prämisse. So gibt es denn auch positive Entwicklungen bei der Zahl der Karlsruher Bürgerinnen und Bürger, die auf Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) angewiesen sind. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften im SGB II ist im Zeitraum von 2017 bis 2022 um über 14 Prozent gesunken. Auch die Zahl der Kinder in Armut nahm im gleichen Zeitraum ab. Der Bedarf in der Jugendhilfe ist trotz Pandemie konstant geblieben.
An zwei Stellen hat es allerdings deutliche Steigerungen gegeben. Zum einen bei der Wiedereingliederungshilfe, was laut Mentrup mit dem Bundesteilhabegesetz zu tun habe, das aus Sicht Mentrups ein Systemwechsel ist. Zum anderen gibt es einen starken Anstieg im Bereich der Grundsicherung im Alter und Hilfe zur Pflege. Auch in Karlsruhe leben immer mehr ältere Menschen, die von ihrer Rente nicht die Pflegekosten bezahlen können.
Insgesamt betrachtet hat Karlsruhe jedoch ein stabiles soziales System. „Wir sind eine gesunde Stadt, die es hinbekommt, viele Entwicklungen im sozialen Bereich, die bundesweit zu einem starken Anstieg von Armut und schwierigen Lebenssituationen führen, bei uns aufzufangen.“ Das sei etwas, auf das alle stolz sein können. Trotzdem gilt es, noch effizienter zu werden und Doppelstrukturen zu hinterfragen. Mentrup warb beim Gemeinderat deshalb darum, in diesem Bereich nicht noch weiter draufzusatteln.
Kindertagesstätten
Als besonders schwierig hob Mentrup die Situation in den Kindertagesstätten und auf dem Wohnungsmarkt hervor. Für die Kindertagesstätten schlägt die Verwaltung eine merkliche Erhöhung der Elternbeiträge vor. Denn auch hier müsse ein Beitrag zur Finanzierung und Leistungsfähigkeit geleistet werden. Die Alternative wäre eine Kürzung bei der PIA-Ausbildung, der praxisintegrierten Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin oder zum Erzieher. Diese kostet die Stadt fünf Millionen Euro pro Jahr. Die Verwaltung setzt auf die PIA-Ausbildung, weil damit dem Fachkräftemangel ein Stück weit entgegengewirkt werden kann, und möchte daher an dieser festhalten. Die Mehrbelastung für Karlsruher Familien bei höheren Beiträgen sei auch mit Blick auf Familien mit geringerem Einkommen hingegen vertretbar. Denn viele Familien würden aufgrund der Erweiterung der einkommensabhängigen Elternbeiträge über die gesetzlichen Regelungen der Wirtschaftlichen Jugendhilfe hinaus bereits entlastet. Außerdem profitieren viele Familien von den Geschwisterkinderzuschüssen. Rund ein Drittel der Familien könne laut Mentrup so erreicht werden. Das einst angestrebte Ziel eines beitragsfreien Kindergartens sei momentan nicht erreichbar.
Wohnungsmarkt
Die Stadt Karlsruhe hat jahrelang auf die Förderung von Neubau und sozialgebundenem Wohnraum gesetzt. Doch unter den aktuellen Baubedingungen können viele Wohnbauträger diesen nicht mehr finanzieren. Denn derzeit steigen sowohl die Baupreise als auch die Zinsen extrem an. Mentrup appellierte an Bund und Land, dass es hier vergünstigte Kreditlinien geben müsse, damit man Wohnungsbaugesellschaften ebenso wie private Investoren wieder motivieren könne, in den sozialgebundenen Neubau einzusteigen. Als Alternative sieht der OB, dass die Volkswohnung bestehende Mehrfamilienhäuser aufkauft und in den Bestand nimmt – vor allem in den Innenstadtquartieren. Denn wenn 30 bis 40 Prozent eines Mietwohnungsbestandes in einer Stadt preis- und sozialgebunden angeboten werden, stabilisiere das den gesamten Wohnungsmarkt. In Karlsruhe gebe es derzeit allerdings nur rund 28 Prozent solcher Wohnungen.
Ein weiterer Punkt ist die Infrastruktur, die weit über die Stadt hinaus von Bedeutung ist. Dabei machen momentan das Städtische Klinikum und die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) am meisten Sorgen. Beim Klinikum ist das Defizit von zwei Millionen Euro im Jahr 2015 auf 30 Millionen Euro in 2022 angewachsen. Nur etwas 40 Prozent der Patientinnen und Patienten kämen aus dem Stadtkreis. Die anderen 60 Prozent seien aus der Region, so Mentrup. Die Verwaltung setze Hoffnung auf die Krankenhausreform, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigt hat. Mit dieser gebe es eine Zukunftsperspektive. Dann würden Notaufnahmen nämlich nicht mehr nur fallbezogen vergütet werden, sondern schon zu 60 Prozent für ihre Bereitschaft. Wichtig sei zudem, dass die durchschnittlich 185 Betten im Städtischen Klinikum, die derzeit nicht betrieben werden können, wieder belegt werden dürfen, damit die Gesamtkostenstruktur wieder zur Gesamterlösstruktur passe. Denn momentan fehlten im Umsatz 40 Millionen Euro bei gleichbleibenden Grundkosten wie den Energiekosten. Ohne Hilfe von außen sei diese große Herausforderung nicht zu bewältigen, sagte das Stadtoberhaupt.
Verkehrsbetriebe
Auch das Defizit bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe mache der Verwaltung große Sorgen. In den vergangenen sieben Jahren habe sich das Defizit fast verdreifacht: Lag es 2015 noch bei 27,3 Millionen Euro, stieg es 2022 dann schon auf 96,6 Millionen Euro, wovon 34 Millionen Euro auf den Tunnel entfielen. Das Betriebskostendefizit für 2024 wird sich auf rund 108 Millionen Euro belaufen. Damit habe sich auch das operative Defizit durch die steigenden Abschreibungen aufgrund der Investitionen in den Fuhrpark, der Zinsentwicklung und der Gehaltsentwicklung auf über 70 Millionen Euro erhöht, so Mentrup.
In den zurückliegenden fünf Jahren habe sich der Aufwand für Investitionen in den Ausbau und die Verbesserung des innerstädtischen ÖPNV von 27,7 Millionen Euro auf 57,3 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Auch in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2028 werde der Fehlbetrag weiter ansteigen – auf 132 Millionen Euro. Auf Dauer sei die Stadt nicht in der Lage, das ÖPNV-System in dieser Qualität aufrechtzuerhalten, wenn das Defizit weiter so wachse. Dann werde entscheidend sein, inwieweit Bund und Land sich in die Finanzierung des kommunalen ÖPNVs einbringen, erklärte Mentrup. Durch das Deutschlandticket haben sich die Finanzierungsmöglichkeiten weiter verschlechtert.
Als eine Möglichkeit für die Finanzierung nannte der OB das Landesmobilitätsgesetz, welches eine Art Nahverkehrsabgabe in Aussicht stellt. Mentrup würde Karlsruhe gerne als eine von vier Modellregionen im Land bewerben. Dann würde es Finanzmittel vom Land für eine Konzeption geben. Letztendlich glaubt der OB jedoch nicht, dass das Landesmobilitätsgesetzt einen großen Entlastungseffekt bringen würde. Klar ist für Mentrup, dass Karlsruhe weiter konsequent auf den Umweltverbund setzt. Zu Fuß oder mit dem Rad, mit dem ÖPNV und auch – wo notwendig – mit dem Auto. Das Ziel bleibt, die Verkehrsarten in Stadt und Region optimal zu vernetzen und intelligent zu steuern.
Klimaschutz und -anpassung
Ganz besonders stolz ist das Stadtoberhaupt, dass es wieder gelungen ist, 40 Millionen Euro für Klimaschutz und Klimaanpassung in die Finanzplanung für die nächsten beiden Jahre aufzunehmen. Der Entwurf zum neuen Haushalt umfasst neben Mitteln zum Klimaschutz erstmals auch ein Budget zur Finanzierung von dringend notwendigen Klimaanpassungsmaßnahmen. Damit soll die vom Gemeinderat 2021 beschlossene Klimaanpassungsstrategie sukzessive umgesetzt werden. Mentrup forderte zudem, dass die finanzielle Unterstützung von Bund und Land für diese zentrale Zukunftsaufgabe zwingend und umfänglich ausgebaut werden müsse, damit Kommunen sich der Klimaanpassung angemessen widmen können.
Ursprünglich hatte die Verwaltung geplant, die städtischen Gebäude umfassend zu sanieren. Das ist wegen der derzeitigen Finanzlage allerdings nicht möglich. Um an den Klimaschutzzielen festhalten zu können, müssten die begrenzten Mittel deshalb möglichst effizient eingesetzt und Prioritäten neu gesetzt werden. Statt in wenige große Maßnahmen zu investieren, müsse der Fokus auf möglichst CO2-wirksamen Maßnahmen liegen, betonte Mentrup. Der größte Hebel zur CO2-Einsparung im Gebäudebereich sei dabei die Umstellung der Wärmeenergieträger, das heißt die Umstellung von fossilen Heizanlagen auf Erneuerbare Energien. Dadurch sollen bis 2030 nahezu 80 Prozent des gesetzten Einsparungszieles erreicht werden.
Grünflächen und Spielplätze
Ein großes Thema für die kommenden Jahre im Bereich Klimaanpassung sieht der Rathauschef in der „Weiterentwicklung des städtischen Grüns“. Denn die Unterhaltung der grünen Infrastruktur stelle unter den gegenwärtigen klimatischen und finanziellen Rahmenbedingungen eine Herkulesaufgabe dar. Auch mit den Spielplätzen werde sich die Verwaltung beschäftigen müssen, kündigte Oberbürgermeister Mentrup an. Im bundesweiten Vergleich hat Karlsruhe überdurchschnittlich viele Spiel- und Bolzplätze sowie Calisthenicsanlagen. Dies geht für die Stadt als Eigentümerin der Spielplätze mit enormen Verpflichtungen zur Verkehrssicherung und zu regelmäßigen Kontrollen einher. Spielplätze verschleißen oder fallen Vandalismus zum Opfer, so dass auch der Unterhaltungsaufwand für die rund 576 Kinderspielplätze mit über 4 600 Inventaren wie Spielgeräte, Tore und Bänke hoch ist. Mentrup hat daher das Gartenbauamt gebeten zu prüfen, ob die Zahl kleinerer Bestandsspielplätze verringert werden kann, um den Unterhaltungsaufwand zu reduzieren und gleichzeitig größere und stärker frequentierte Anlagen in einen insgesamt besseren und attraktiveren Zustand zu versetzen. Mentrup betonte, dass es nicht darum gehe, Flächen zu versiegeln. Die Freizeit- und Erholungsflächen sollen bestehen bleiben.
Zukunft Innenstadt
Besonders stolz sei die Verwaltung auf die Entwicklung der „Zukunft Innenstadt“. Aus dem Marketing zur Kombilösung sei ein größer angelegter Innenstadtentwicklungsprozess entstanden. Dabei profitiert die Stadt auch in den kommenden Jahren von Fördermitteln von Bund und Land. Ohne die Gelder könnten viele dieser Projekte nicht umgesetzt werden, erläuterte das Stadtoberhaupt. Noch bis 2027 läuft das Sanierungsgebiet Innenstadt Ost. Das Sanierungsgebiet Kaiserstraße-West profitiert vom Landessanierungsprogramm (LSP) Baden-Württemberg mit einer Anschubfinanzierung von 4,8 Millionen Euro. Damit wird unter anderem der Umbau der Fußgängerzone in der Kaiserstraße sowie der Umbau des Europaplatzes finanziert. Zudem ermöglichen die Sanierungsmittel den dringend notwendigen Umbau des Technischen Rathauses. Insgesamt können Fördergelder von 4,6 Millionen Euro eingesetzt werden.
Verwaltung
Mentrup sieht auch die Verwaltung als Arbeitgeberin vor große Herausforderungen gestellt. „Wir haben ein ungeahntes Höchstmaß an Fluktuation beim Personal.“ Durchschnittlich sind nur 92,1 Prozent der Stellen besetzt. Generell müsse die Stadtverwaltung immer wieder neue Aufgaben erfüllen, deren Bewältigung auch mit einem Mehrbedarf an Personal verbunden ist. Der Anstieg bei den offenen Stellen zeige allerdings, dass es der Stadtverwaltung in den zurückliegenden Jahren nicht gelungen ist, so viel neues Personal zu gewinnen, wie neue Aufgaben hinzugekommen sind. Um den Herausforderungen durch den Fachkräftemangel wirkungsvoll zu begegnen, sei es wichtig, das Image der Stadt Karlsruhe als attraktive, moderne Arbeitgeberin und innovativen Ausbildungsbetrieb weiter zu stärken und mit einer zielgruppengerechten Ansprache und individuell zugeschnittenen Maßnahmen noch präsenter am Arbeitsmarkt aufzutreten.
Gemeinschaftsaufgabe
Als letzten Punkt bei seiner Haushaltsrede forderte Mentrup alle dazu auf, deutlich wahrnehmbarer und positiver über die Bereiche zu sprechen, in denen die Bürgerinnen und Bürger heute schon sehr aktiv in die Stadtgestaltung eingreifen. Der Oberbürgermeister warb dafür, die Stadt als Gemeinschaftsaufgabe zu sehen. Es gelte, die Stadtgesellschaft noch viel stärker in die Erfüllung gesamtstädtischer Aufgaben zu integrieren – ohne Verantwortung abzugeben. „Wir sollten uns davor hüten, in eine Konkurrenzdiskussion zu gehen, welche Gelder wir denn noch für welche Gruppen ausgeben.“ Prioritäten müssten anders gesetzt werden.
Für sein Fazit nutzte Mentrup die Metapher eines Blumenstraußes. „Wir müssen uns davon verabschieden, einem Blumenstrauß immer noch ein paar Blumen hinzuzufügen.“ Die eigene Identität, das eigene Image soll aufrechterhalten bleiben, aber nicht in allen Bereichen in bisher gekanntem Maß.